15 Jahre Fremdsprachenzentrum des Europarates: „Mehrsprachigkeit ist Teil der europäischen Identität“
1995 nahm das Europäische Fremdsprachenzentrum seine Tätigkeit in Graz auf. Bei einem anlässlich des 15-jährigen Bestandsjubiläums abgehaltenen Round-Table konnte der Leiter des Zentrums, Waldemar Martyniuk, in- und ausländische Gäste – darunter Wissenschaftsministerin Beatrix Karl – begrüßen und eine äußerst positive Bilanz der bisherigen Tätigkeit ziehen.
Höchste Anerkennung durch die Politik. Unterrichtsministerin Claudia Schmied betonte in ihrer Grußbotschaft, dass „Plurilingualismus in globalisierten Gesellschaften nötiger denn je“ sei, der Respekt vor der sprachlichen und kulturellen Diversität sei eine wichtige Bedingung für die Aufrechterhaltung unserer demokratischen Gemeinwesen, im Besonderen, was die Integration von MigrantInnen betreffe. Ähnlich äußerte sich die anwesende Wissenschaftsministerin Beatrix Karl: Grenzüberschreitende berufliche Mobilität sei ein zunehmendes Phänomen, das unterstützt werden müsse, mehrere Sprachen zu beherrschen sei „eine Vorbedingung für den produktiven Austausch auf internationaler Ebene.“ Mehrsprachigkeit müsse zur Selbstverständlichkeit werden. Als Ressortverantwortliche hob Karl die intensive Zusammenarbeit des EFSZ mit der Universität Graz – wie sie etwa im Rahmen des „Sprachennetzwerkes“ realisiert wird – und mit anderen österreichischen Universitäten hervor.
Sektionschef Anton Dobart, der in Vertretung der Unterrichtsministerin erschienen war, bedankte sich beim Team des EFSZ für „Engagement und Idealismus“ und nannte das angestrebte Ziel der Sprachenvielfalt ein wirksames Instrument gegen Ausgrenzung. Er plädierte dafür, die Netzwerke des Zentrums auch über Europa hinaus auszudehnen – etwa nach Afrika.
Den Glückwünschen zum Jubiläum schloss sich auch die lokale und regionale Politik an – von LAbg. Prof. Gerald Schöpfer (in Vertretung von Wissenschaftslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder), der ebenfalls die sozial integrative Funktion der Mehrsprachigkeit unterstrich, bis Gemeinderätin Elisabeth Potzinger (in Vertretung von Bürgermeister Siegfried Nagl), die betonte, dass Graz stolz sei, jene Stadt zu sein, die das einzige europäische Zentrum beherberge, das der Implementierung von Sprachenpolitik in Europa gewidmet sei. Besonders applaudiert wurde dem im Publikum anwesenden „Gründungsbürgermeister“ des Zentrums, Alfred Stingl, der sich in den Neunzigern vehement dafür eingesetzt hatte, das EFSZ nach Graz zu holen.
Lob von Seiten des Europarates und der EU-Kommission. Die Generaldirektorin für Erziehung, Kultur und Erbe, Jugend und Sport des Europarates, Gabriella Battaini-Dragoni, unterstrich die Expertise des Zentrums bei der Beantwortung neuer Herausforderungen im Bereich der Sprachenpolitik und der Entwicklung innovativer Herangehensweisen im Sprachunterricht. Das Zentrum erfülle die Funktion eines Katalysators und unterstütze die Bildungsreformen seiner über 30 Mitgliedstaaten.
Als Vertreterin der EU-Kommission betonte die stellvertretende Leiterin der Abteilung für Mehrsprachigkeit in der Generaldirektion für Bildung und Kultur, Fiorella Perotto, die gute Zusammenarbeit der EU mit dem EFSZ und nannte mehrere konkrete Beispiele für den Nutzen, den die Abteilung aus der Arbeit des Zentrums bzw. des Europarates ziehen konnte – etwa indem sie sich in ihrer Tätigkeit auf den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen stützte, der für die kommunikative Kompetenz unerlässliche aktive und passive Sprachfertigkeiten auf sechs Niveaus definiert. Damit werden u.a. Lehr- und Lernziele europaweit vergleichbar. Auch die vom EFSZ herausgegebenen Leitlinien zum frühen Sprachenerwerb sind in die einschlägigen Aktivitäten der Kommission eingeflossen. Perotto: „Das EFSZ ermutigt in hervorragender Weise Exzellenz und Innovation im Sprachunterricht. Im Rahmen unserer fruchtbaren Zusammenarbeit schätzen wir besonders seine Expertise und seine Bereitschaft zum Networking.“
Keine Projekte aus dem Elfenbeinturm. Der Keynote-Speaker der Festveranstaltung, der Grazer Universitätsprofessor David Newby, gab in seiner humorvollen Ansprache einen Überblick über die bis jetzt geleistet Arbeit des Zentrums. Für jene Personen im Publikum, die nicht zu den „Sprachenprofis“ zählen, skizzierte er die Projektarbeit als Kerntätigkeit des EFSZ: Die Projekte des Zentrums stehen im Rahmen vier Jahre währender so genannter „Medium-term programmes“, deren aktuelles noch bis 2011 dauert und 20 Einzelprojekte umfasst. Zu Beginn der Programmphase werden SprachenexpertInnen aus den Mitgliedstaaten eingeladen, Projektvorschläge einzureichen; zumeist handelt es sich dabei um Personen, die auf dem neuesten Stand der Sprachpolitik sind – wie Lehrerausbildner, FunktionärInnen von Lehrervereinigungen, EntwicklerInnen von Lehrmaterialien und Lehrplänen oder VertreterInnen der jeweiligen Unterrichtsministerien.
Newby betonte, dass es sich dabei um alles andere denn um Projekte aus dem Elfenbeinturm handele, weil deren Mitarbeiter – von Spanien bis Armenien, von Island bis Zypern – ja selbst mitten in der sprachenpolitischen Praxis ihrer Herkunftsländer stehen. Die Projekte „kombinieren innovative theoretischen Erkenntnisse mit ganz konkreten Maßnahmen zur Implementierung der Innovation.“ Von den ExpertInnen wird nämlich verlangt, dass sie in ihren Herkunftsländern Schritte zur Umsetzung der gemeinsam erarbeiteten Vorschläge unternehmen. Die Herkunft der ProjektmitarbeiterInnen aus verschiedenen Ländern gewährleiste zudem, dass es zu keiner „kulturellen Schieflage“ komme.
Der Sprachenunterricht ändert sich rasant. Newby äußerte sich optimistisch, was den „komplexen Zusammenhang“ zwischen der Theorie des Sprachunterrichts und ihrer praktischen Umsetzung betrifft. Während früher oft beklagt wurde, dass die LehrerInnen zu wenig Interesse für die theoretischen Hintergründe ihrer Arbeit zeigten und umgekehrt die Untersuchungen der WissenschafterInnen zu wenig Relevanz für die Arbeit im Klassenzimmer hätten, habe sich das heute geändert: „Die jungen LehrerInnen sind an Innovationen interessiert.“